BAG, Urteil vom 22.09.2016: Fehlende Verhandlungsbereitschaft des Betriebsrats begründet Ende des Konsultationsverfahrens bei Massenentlassung

BAG, Urteil vom 22.09.2016: Fehlende Verhandlungsbereitschaft des Betriebsrats begründet Ende des Konsultationsverfahrens bei Massenentlassung

Ein Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) darf vom Arbeitgeber als beendet angesehen werden, wenn der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung von Massenentlassungen erkennen lässt.

Die Beklagte erbrachte Passagedienstleistungen an Flughäfen. Ende März 2015 kündigte ihre einzige Auftraggeberin sämtliche Aufträge.

Nachdem ein Interessenausgleich im Dezember 2014 gescheitert war, leitete die Beklagte ein Konsultationsverfahren ein und entschied Ende 2015, ihren Betrieb zum 31. März 2015 stillzulegen. Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige kündigte sie alle Arbeitsverhältnisse.
Nachdem einige Kündigungsschutzklagen wegen vermeintlicher Mängel im Verfahren erstinstanzlich erfolglos waren, entschloss sich die Beklagte, die Kündigungen erneut zu erklären. Im Juni 2015 leitete die Beklagte ein neues Konsultationsverfahren ein und beriet mit dem Betriebsrat über eine mögliche Wiedereröffnung des Betriebs, welche jedoch nur bei einer Absenkung der bisherigen Vergütungen in Betracht käme. Der Betriebsrat ließ keine Bereitschaft erkennen, an entsprechenden Maßnahmen mitzuwirken.
Nach Erstattung einer erneuten Massenentlassungsanzeige kündigte die Beklagte die verbliebebenen Arbeitsverhältnisse daraufhin vorsorglich ein zweites Mal.

Die Klägerin, eine Beschäftigte der Beklagten, erhob fristgerecht Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen und verlangte hilfsweise einen Nachteilsausgleich. Das Landesarbeitsgericht erachtete beide Kündigungen als unwirksam.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Bundesarbeitsgericht teilweise Erfolg. Die erste Kündigung sei nichtig. Die Beklagte habe in der diesbezüglichen Massenentlassungsanzeige den Stand der Beratung mit dem Betriebsrat nicht korrekt dargelegt. Die zweite Kündigung hingegen sei wirksam. Das erforderliche Konsultationsverfahren habe, auch unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben, ordnungsgemäß stattgefunden. Dem Betriebsrat seien alle erforderlichen Auskünfte erteilt worden. Der Betriebsrat habe somit in entsprechendem Maß auf den Entschluss der Beklagten, an der Betriebsstilllegung festhalten zu wollen, einwirken können. Die Beklagte habe die Verhandlungen folglich als gescheitert ansehen dürfen.
Da die Beklagte seit April 2015 keinen Betrieb mehr unterhielt, habe sie die zweite Massenentlassungsanzeige zu Recht bei der für den Unternehmenssitz zuständigen Agentur für Arbeit erstattet. Die Klägerin habe zudem keinen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß über die beabsichtigte Betriebsstillegung unterrichtet worden und die Beklagte habe nach dem Scheitern ihrer Verhandlungen die Einigungsstelle angerufen.