BAG, Urteil vom 26.07.2016: Friedenspflicht verletzender Streik begründet Schadensersatzpflicht der Gewerkschaft

BAG, Urteil vom 26.07.2016: Friedenspflicht verletzender Streik begründet Schadensersatzpflicht der Gewerkschaft

Wird die tarifvertraglich vereinbarte Friedenspflicht durch einen Streik verletzt, dessen Kampfziel auf die Durchsetzung von Forderungen gerichtet ist, so ist der Streik rechtwidrig. Er verpflichtet bei schuldhaftem Handeln zudem zum Ersatz der dem Kampfgegner entstandenen Schäden.

Klägerin war die Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens Fraport AG (Fraport AG). Die Beklagte Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) vertritt die berufs- und tarifpolitischen Interessen des Flugsicherungspersonals.
Sie hatte mit der Fraport AG einen Tarifvertrag für die Beschäftigten in der Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale geschlossen. Die Bestimmungen des Tarifvertrags sollten für dessen Laufzeit abschließend sein und arbeitskampfrechtliche Maßnahmen über diese ausschließen (sog. Friedenspflicht). Die Regelung in §§ 5 bis 8 des Tarifvertrags waren erstmalig zum 31. Dezember 2017 kündbar, die übrigen Regelungen bereits zum 31. Dezember 2011. Nach der Teilkündigung des Tarifvertrags, mit Ausnahme der §§ 5 bis 8, durch die GdF zum 31. Dezember 2011, verhandelte diese mit der Fraport AG über einen neuen Tarifvertrag. Das vereinbarte Schlichtungs-verfahren endete mit einer Empfehlung des Schlichters. Diese Schlichtungs-empfehlung enthielt entsprechend der Schlichtungsverhandlungen auch Ergänzungen zu dem noch ungekündigten Teil des Tarifvertrags. Am 15. Februar 2012 kündigte die GdF gegenüber der Fraport AG an, ihre Mitglieder zu einem befristeten Streik mit dem Ziel der Durchsetzung der Schlichterempfehlung aufzurufen. Der Streik begann am 16. Februar 2012 und endete am 29. Februar 2012 aufgrund einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung. Die Fraport AG verlangte von der GdF mit ihrer Klage den Ersatz der ihr aufgrund des Streiks entstandenen Schäden wegen Einnahmeverlusten durch hunderte ausgefallene Flüge in Höhe von rund 5,2 Millionen Euro. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Die hiergegen von der Fraport AG eingelegte Revision hatte vor dem Ersten Senat des BAG Erfolg.
Der von der GdF getragene, als einheitliche und unteilbare Handlung zu beurteilende Streik sei danach rechtswidrig gewesen. Er diene der Durchsetzung der Schlichterempfehlung und damit auch der Modifizierung von ungekündigten Bestimmungen des Tarifvertrags. Hinsichtlich dieser Regelung habe nach wie vor die tarifvertraglich vereinbarte erweiterte Friedenspflicht gegolten. Diese habe es der GdF verwehrt, Änderungen mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen. Ihr Einwand, sie hätte denselben Streik auch ohne die der Friedenspflicht unterliegenden Forderung geführt (sogenanntes rechtmäßiges Alternativverhalten), sei unbeachtlich. Das BAG betonte, dass es sich dann wegen eines anderen Kampfziels nicht um denselben Streik gehandelt hätte. Die GdF sei der Fraport AG gegenüber wegen ihres schuldhaften Handelns aus Delikt und wegen Vertragsverletzung zum Ersatz der streikbedingten Schäden verpflichtet. Das BAG hat die Sache zur Feststellung der Schadenshöhe an das LAG Hessen zurückgewiesen.

In der vom BAG verhandelten und entschiedenen Sache ging es zudem um die Revision zweier Fluggesellschaften. Diese hatten ebenfalls Ersatz für die ihnen durch den Streik entstandenen Schäden von der GdF verlangt. Allerdings hatten ihre gegen die klageabweisenden Entscheidungen gerichteten Revisionen keinen Erfolg. Als Drittbetroffene hätten sie keinen Schadensersatzanspruch, so das BAG.