Vorgetäuschter Eigenbedarf bei Mietwohnungen

Vorgetäuschter Eigenbedarf bei Mietwohnungen

Der Kläger hatte im Jahr 2008 vom Rechtsvorgänger des Beklagten eine 4-Zimmer-Wohnung in Koblenz zum monatlichen Mietzins von 523,09 Euro gemietet. Im Jahr 2010 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis mit der - vom Kläger bestrittenen - Begründung, er benötige die Wohnung für einen neuen Hausmeister.

Nach einer Räumungsklage des Beklagten schlossen die Parteien im Vorprozess am 14. Juni 2011 einen Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, bis Ende 2011 die Wohnung zu räumen. Nach dem Auszug des Klägers zog allerdings nicht der angekündigte neue Hausmeister, sondern eine andere Familie in die Wohnung ein.

Der Kläger begehrte wegen des nur vorgetäuschten Bedarfs Umzugskosten sowie Ersatz der Mehrkosten, die ihm durch die höhere Miete für die neue Wohnung entstehen und klagte auf Zahlung von insgesamt 25.833,43 Euro.

Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Die Berufungskammer des Landgerichts hatte zunächst darauf abgestellt, dass die Parteien mit dem Vergleich einen Schlussstrich unter das Mietverhältnis hätten ziehen wollen, weshalb der Kläger im Nachhinein keine Ansprüche mehr geltend machen könne.

Mit Urteil vom 10. Juni 2015 (VIII ZR 99/14, veröffentlicht in NJW 2015, 2324) hat der Senat dieses (erste) Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Auch die neue Kammer des Landgerichts hat die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen. Das Gericht sei aufgrund der Darlegungen des Beklagten und insbesondere der lebensnahen und nachvollziehbaren Angaben des als Zeugen vernommenen neuen Hausmeisters überzeugt, dass der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung und noch bis nach dem Auszug des Klägers die Absicht gehabt habe, die Wohnung dem Hausmeister zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte habe plausibel vorgetragen, der neue Hausmeister habe ihn erst Anfang November 2011 darüber informiert, dass er wegen seiner Erkrankung (unter anderem Kniebeschwerden) nicht in die im dritten Obergeschoss liegende Wohnung einziehen werde.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil insoweit bestätigt, als darin hinsichtlich einer einzelnen, nicht ausreichend substantiierten Schadensposition zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil ein weiteres Mal aufgehoben und die Sache wiederum an eine andere (dritte) Kammer des Landgerichts zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung getroffen werden. Der Bundesgerichtshof hat dabei hervorgehoben, dass der vollständigen und sorgfältigen Würdigung des Prozessstoffes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme eine besondere Bedeutung zukommt, wenn ein Vermieter seinen zur Grundlage der Kündigung gemachten Bedarf an der Wohnung nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert.

Durch eine schuldhafte unberechtigte Kündigung - insbesondere im Falle des Vortäuschens eines in Wahrheit nicht bestehenden Selbstnutzungswillens - kann sich ein Vermieter schadensersatzpflichtig machen, wenn der Mieter daraufhin auszieht und infolgedessen Vermögenseinbußen erleidet. Dabei treffe den Vermieter nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2016 - VIII ZR 300/15, NZM 2017, 23 Rn. 15) in Fällen, in denen er den zur Grundlage der Kündigung gemachten Bedarf nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert, eine besondere (sog. „sekundäre") Darlegungslast zum nachträglichen Wegfall des Bedarfs. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht um, liegt der Verdacht nahe, dass der Bedarf nur vorgeschoben gewesen ist. Unter solchen Umständen sei es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und stimmig darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Bedarf nachträglich entfallen sein soll.

Diesen strengen Anforderungen ist der Beklagte nach Ansicht des BGH hier nicht gerecht geworden. Bei einer tatsächlichen Bedarfslage wäre nämlich zu erwarten gewesen, dass der Vermieter mit dem neuen Hausmeister nach Abschluss des Räumungsvergleichs alsbald einen Mietvertrag abschließen oder sich zumindest über den voraussichtlichen Mietbeginn und die genaue Miethöhe verständigen würde. Hierzu hatte der Beklagte nichts vorgetragen, sondern ausgeführt, der Hausmeister habe sich erst im November „überlegt" und ihm mitgeteilt, dass die im dritten Obergeschoss liegende Wohnung wegen seiner - seit längerem andauernden - Kniebeschwerden für ihn ungeeignet sei und er sie deshalb nunmehr doch nicht anmieten wolle. Diese Darstellung erscheint jedoch nicht plausibel und kaum nachvollziehbar.
Komme der Vermieter seiner besonderen Darlegungslast in Eigennutzungsfällen nicht nach, sei die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung (das Vortäuschen eines nicht bestehenden Bedarfs an der Wohnung) deshalb als unstreitig zu behandeln.