Können Urlaubsansprüche überhaupt noch verfallen?

Können Urlaubsansprüche überhaupt noch verfallen?

Nach dem Bundesurlaubsgesetz verfällt der (Rest-)Urlaubsanspruch eines jeweiligen Jahres am 31.12., spätestens am 31.03. des Folgejahres. Voraussetzung für die Übertragung war bislang, dass der Arbeitnehmer den Urlaub noch im alten Jahr beantragt hatte, dieser aber aus betrieblichen Gründen nicht genehmigt worden war.

Im entschiedenen Fall verlangte der Arbeitnehmer mit seinem Ausscheiden am 31.12.2013 die Abgeltung von restlichen 51 Urlaubstagen aus den Jahren 2012 und 2013. Der Arbeitgeber hatte hier sogar den Arbeitnehmer noch am 23.10.2013 gebeten, den Resturlaub vor seinem Ausscheiden zu nehmen. Dies tat der Arbeitnehmer jedoch nicht.

Das BAG schließt sich nun der Auffassung des – leider angefragten – EuGH an und legt fest, dass das Urlaubsrecht den Arbeitgeber zwar nicht zwinge, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings treffe den Arbeitgeber die „Initiativlast“ für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Der Arbeitgeber sei gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihm – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“. Daher müsse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub am Ende des Jahres oder des Übertragungszeitraums verfallen wäre, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nehme.

Die Arbeitgeber müssen also nun ihr System umstellen. Eine automatische Ausbuchung von Resturlaubstagen zum 31.12. oder 31.03. ist jedenfalls nicht mehr zulässig. Es muss ein praxisnaher Weg gefunden werden, den Arbeitnehmer „rechtzeitig“ und „in völliger Transparenz“ in der 2. Jahreshälfte über prognostisch noch offene Urlaubsansprüche zu informieren, um künftig am Schluss des Jahres oder des Übertragungszeitraums Rechtsklarheit über den Bestand von Resturlaubsansprüchen zu haben.

Diese neue Entscheidung steht im Kontext der stetigen Unsicherheit im deutschen Urlaubsrecht. Es gilt der Grundsatz, dass nichts mehr gilt. Nach der zunächst unbegrenzten Übertragung und Ansammlung über mehrere Jahre bei andauernder Arbeitsunfähigkeit, dem Versuch, diese missglückte Rechtsprechung dann durch einen Verfall nach maximal 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres wieder zu beschränken, folgt nun eine neue Kehrwende. Der Praktiker kann nur hoffen, dass der Verfall nach 15 Monaten nach der neuerlichen Rechtsprechungsänderung noch hält. Es bleibt leider unberechenbar.

Sören Riebenstahl
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht