Arbeitsunfall & Home Office – Wann greift die gesetzliche Unfallversicherung?

Arbeitsunfall & Home Office – Wann greift die gesetzliche Unfallversicherung?

Arbeitsunfall & Home Office – Wann greift die gesetzliche Unfallversicherung?

Die Tätigkeit von Arbeitnehmern im Homeoffice hat in der digitalisierten Arbeitswelt einen hohen Stellenwert und hat durch die Pandemie enormen Vorschub erhalten. Neben spezifischen arbeitsrechtlichen Anforderungen tritt häufig die Frage auf, ob bei Arbeitsunfällen im privaten Umfeld die gesetzliche Unfallversicherung eingreift.

Der rechtliche Rahmen
Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist ein Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit. Diese liegt vor, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines Arbeitsverhältnisses eine Tätigkeit im oder für das Unternehmen des Arbeitgebers verrichtet. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer bei der zum Unfall führenden Verrichtung eine dem Arbeitgeber dienende Tätigkeit ausüben wollte. Diese (subjektive) Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt werden. Neben der Tätigkeit sind auch Unfälle auf dem Betriebsweg und die sogenannten Wegeunfälle, also beim Weg von und zur Arbeit, versichert.

Vom Versicherungsschutz ausgenommen sind
- rein private Verrichtungen
- Unfälle, die in gar keiner Beziehung zu der versicherten Tätigkeit stehen und
- Unfälle, bei denen eine versicherte Tätigkeit lediglich als Gelegenheitsursache einzustufen ist.

Ist die zum Unfall führende Tätigkeit mehrfach motiviert wie zum Beispiel das Annehmen von privaten und dienstlichen Paketen, dann ist entscheidend, ob die Tätigkeit auch ohne private Interessen verrichtet worden wäre.

Illustrieren wir den versicherungsrechtlichen Rahmen mit einigen Beispielen:
Ein für eine Bausparkasse tätiger Mitarbeiter arbeitet in seinem Homeoffice. Auf ein Läuten öffnet er die Wohnungstür und wird von zwei Männern bedroht und verletzt. Nach Auffassung des Sozialgerichts handelte es sich nicht um einen Arbeitsunfall, da kein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Mitarbeiters existierte. Die Motive der Täter waren nach Ansicht des Gerichts vielmehr auf eine private Aktivität als Berater eines Vereins zurückzuführen.

Ein Arbeitnehmer verlässt das Homeoffice, um sich in der Küche ein Glas Wasser zu holen, rutscht auf der Treppe aus und verletzt sich. Hierbei handelte der Arbeitnehmer nicht im unmittelbaren Betriebsinteresse und ist nicht gesetzlich versichert. Anders wäre es, wenn gerade die versicherte Tätigkeit ein besonderes Durstgefühl verursacht oder der Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung viel trinken muss.

Generell sind Wege innerhalb der Wohnung zur Nahrungsaufnahme und zur Toilette unversichert. Zu Hause tätig werdende Beschäftigte sind nicht in eine Arbeitsorganisation eingebunden und müssen ihre Tätigkeit insbesondere nicht an einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort verrichten. Deshalb fällt ein Versicherungsgrund für diese Wege weg.

Anders ist die Sachlage, wenn ein Arbeitnehmer das Homeoffice verlässt, um im Nachbarzimmer dienstliche E-Mails aus dem Drucker zu holen. Knickt er auf dem Weg dorthin im Flur um, kann dieser Unfall als Arbeitsunfall qualifiziert werden

Diffiziler ist der Versicherungsschutz bei Wegen zur Nahrungsaufnahme oder zur Versorgung mit Nahrungsmitteln für den alsbaldigen Verzehr am Homeoffice-Arbeitsplatz. Verletzt sich ein Arbeitnehmer beim Rückweg vom Kauf eines Pausensnacks im Supermarkt, dann ist er versichert. Aber nicht jeder Einkaufsweg ist dem Versicherungsschutz unterworfen. Er greift nicht, wenn die Nahrungsmittel vor Arbeitsantritt verzehrt werden sollen und damit kein Zusammenhang zur bereits erbrachten Arbeit, sondern eine bloße (nicht versicherte) Vorbereitungshandlung vorliegt.

Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig der Inhalt der Unfallmeldung an die Unfallkasse/BG ist!

Auf Besonderheiten achten – im Zweifel private Versicherung abschließen
Im Homeoffice tätige Arbeitnehmer können dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallen. Allerdings sind Inhalt und Reichweite des Versicherungsschutzes noch nicht generell und abschließend geklärt. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der damit verbundenen unsicheren Rechtslage kann sich daher für im Homeoffice tätige Arbeitnehmer der Abschluss einer privaten Unfallversicherung anbieten. Soweit der Arbeitgeber eine derartige Versicherung für den Arbeitnehmer übernimmt, liegt darin ein zu versteuernder geldwerter Vorteil.

Sören Riebenstahl, Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht