Künstlergage vs. Absage wegen Corona

Künstlergage vs. Absage wegen Corona

Am 18.09.2020 wurde von der Landesregierung gemeinsam mit den Festkomitees Köln, Bonn, Aachen und Düsseldorf sowie dem BDK festgehalten, dass gesellige Veranstaltungen wie Karnevalsbälle, Partyformate und Sitzungen ohne Beachtung der Abstandsgebote nicht stattfinden werden. Schon heute verbietet die Corona-Schutzverordnung in ihrer aktuellen Fassung Veranstaltungen, die nicht die strengen Vorgaben des Infektionsschutzes erfüllen und lässt gesellige Veranstaltungen nur bei herausragendem Anlass (Hochzeit, Geburtstag, Beerdigung) mit einer festen Personenobergrenze zu. Dies wird sich nach Ansicht der Landesregierung und der Karnevalisten absehbar bis Ende Februar nicht verändern.

Auch Karnevalsumzüge (nach aktuellem Stand als Form von Straßenfesten derzeit ebenfalls bereits verboten), werden in der kommenden Session in ihrer üblichen Form nicht möglich sein. Andere Veranstaltungen unter freiem Himmel müssen den Vorgaben der Corona-Schutzverordnung entsprechen und werden sich dadurch zumindest drastisch von den Vorjahren unterscheiden oder gar nicht genehmigungsfähig sein.

Ob und was noch wie in kleinerem Rahmen oder unter freiem Himmel durchgeführt werden kann, ist damit noch nicht geklärt, sodass sich die Frage stellt, ob und in welchem Fall Künstler noch einen Anspruch auf vereinbarte Gagen oder sogar auf Vertragsstrafe haben.

I.
Zunächst sind die Verträge darauf zu prüfen, ob Regelungen für einen solchen Fall vorhanden sind. Denn häufig finden sich z.B. Klauseln zum Umgang mit „höherer Gewalt“.

Viele Verträge sehen die Bestimmung vor, dass „im Falle einer Vertragsverletzung eine gegenseitige Konventionalstrafe in Höhe der Gesamtgage vereinbart wird“.

Teilweise findet sich die Bestimmungen, dass eine „gegenseitige Konventionalstrafe in Höhe der Tagesgage als vereinbart gilt“.

Die Konventionalstrafen sollen teilweise bei Krankheit oder höhere Gewalt ausgeschlossen sein.

Zum Teil enthalten Verträge die Regelung, dass „bei Absage des Veranstalters, oder aus Gründen die im Verantwortungsbereich des Veranstalters liegen, oder auch durch Verschulden des Künstlers“, eine gegenseitige Konventionalstrafe in Höhe der Vertragssumme als vereinbart gilt

Seltener wird geregelt, dass die Nichterfüllung eines oder mehrerer Vertragspunkte ohne schriftliche Bestätigung durch das Management des Künstlers, den Künstler von der Vertragserfüllung unter Aufrechterhaltung der Honorarforderung befreit.

II.
Eine Konventionalstrafe fällt an, wenn die Veranstaltungen nicht aus Infektionsschutzgründen abgesagt werden, sondern der Absagegrund im Risikobereich des Veranstalters zu finden ist.

Dies können nicht kostendeckende Teilnehmerzahlen oder sonstige wirtschaftlich in das Risiko des Veranstalters fallende Gründe sein.

In diesem Fall verletzt der Veranstalter seine Pflicht zur Durchführung der Veranstaltung.

III.
Anders ist der Fall zu bewerten, wenn die Durchführung der Veranstaltung als Hauptleistungspflicht unmöglich geworden ist.

Ein Anspruch auf die wechselseitige Leistung ist kraft Gesetz ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

Soweit Veranstaltungen mit Zuschauern in der Session verboten sind oder strengen Auflagen unterliegen, könnte die Durchführung unmöglich sein.

Karnevalsveranstaltungen könnten ein sogenanntes absolutes Fixgeschäft darstellen, mit der Folge, dass dem Veranstalter durch die Absage die Durchführung der Veranstaltung unmöglich geworden ist.

Bei absoluten Fixgeschäften kann die Leistung nur bis zum Ablauf des Erfüllungszeitraums erbracht werden. Der vereinbarte Leistungszeitpunkt muss nach dem Sinn und Zweck des Vertrags und nach der Interessenlage der Parteien so wesentlich sein, dass eine verspätete Leistung für den Gläubiger absolut sinnlos ist.

Bei Karnevalsveranstaltung wurde dies bis jetzt noch nicht thematisiert. Zu argumentieren ist jedoch, dass die Karnevalszeit eine im Jahr nur begrenzte Zeit darstellt und die Durchführung der Veranstaltung nach der Karnevalszeit für die Karnevalsgesellschaft absolut sinnlos ist.

Mit dieser Argumentation könnte auch beim Ausschluss eines absoluten Fixgeschäft, ein einstweiliges vorübergehendes Leistungshindernis anzunehmen sein.

Eine nur einstweilige Unmöglichkeit ist nach der Rechtsprechung einer dauernden Unmöglichkeit gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und einer der Vertragsparteien bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen.

Mit der Argumentation, dass eine Verschiebung der Veranstaltung den Interessen der Karnevalsgesellschaft an der Durchführung der Veranstaltung zur Karnevalszeit widerspricht, kann von einer Unmöglichkeit ausgegangen werden. Dies gilt insbesondere auch deshalb, da die Statuten der Festkomitees und des BDK jegliche karnevalistische Veranstaltung außerhalb der Session verbieten.

Soweit die Veranstaltungen nur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen durchführbar sind und hohe behördliche Anforderungen gestellt werden, die die praktische Durchführung der Veranstaltung verhindern, kann ein grob unverhältnismäßiger Aufwand zur Unmöglichkeit führen.

Das Leistungsverweigerungsrecht des in § 275 Abs. 2 BGB verankerten groben Missverhältnisses zwischen Aufwand und Leistungsinteresse ist ebenso wie die Unmöglichkeit ein Schuldbefreiungsgrund. Dem Schuldner der Leistungspflicht (Veranstalter - Durchführung der Veranstaltung) wird eine rechtsgestaltende Einrede gegen den Erfüllungsanspruch eingeräumt.

Bei der in diesem Fall vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Objektiv muss auf den Aufwand abgestellt werden, der zur Leistungserbringung (Durchführung der Veranstaltung) erforderlich ist, im Verhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers (Künstler mit dem Interesse der Durchführung). Der Begriff des Aufwands umfasst alle Aufwendungen in Geld wie auch geldwerte Tätigkeiten oder sonstige persönliche Anstrengungen des Schuldners. Das Missverhältnis muss ein besonders krasses, nach Treu und Glauben untragbares Ausmaß erreichen.

Ob ein solches krasses Missverhältnis vorliegt kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden. Dabei sind alle Umstände der bis dahin geltenden Corona-Schutzmaßnahmen in die Bewertung mit einzustellen, ebenso wie das Interesse der Künstler, die letztendlich in einem sehr kurzen Zeitraum im Jahr den größten Teil des Jahresumsatzes erwirtschaften.

Soweit eine Unmöglichkeit oder ein grobes Missverhältnis anzunehmen ist, wird der Veranstalter von der Pflicht zur Durchführung der Veranstaltung befreit und der Vertragspartner verliert den Anspruch auf die Gegenleistung.

In diesem Fall sind die vereinbarten Konventionalstrafen jedenfalls dann nicht einschlägig, wenn sie den Zusatz enthalten, dass nur bei Vertragsverletzung eine Konventionalstrafe vereinbart wird. Das Absagen einer Veranstaltung aufgrund von Unmöglichkeit ist keine Vertragsverletzung.

IV.
Die Bestimmungen, die darauf abzielen, dass eine Konventionalstrafe für jeden Fall der Nichtdurchführung wirksam wird, könnten gegen AGB-Recht verstoßen.

Vertragsstrafen dienen zum einen als Druckmittel, um den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erfüllung der versprochenen Leistung anzuhalten und darüber hinaus der Erleichterung und Sicherung des Schadensausgleichs im Falle des Fehlschlagens der Sanktionsdrohung.

Die Auslegungsfrage, ob derartige Konventionalstrafen unwirksam sind, wird darauf ankommen, wie die Situation bei der Absage ist.

V.
Im Ergebnis kommt es also für die wechselseitigen Leistungspflichten darauf an, was vertraglich geregelt ist, ob eine behördliche Untersagung vorliegt oder ein Fall der Unzumutbarkeit, der zur Unmöglichkeit der Durchführung der Veranstaltung führt. Insbesondere der letzte Fall ist sehr sorgfältig zu prüfen.

Rechtsanwalt David Rohmer
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht Sören Riebenst