Kündigung trotz Kurzarbeit?

Kündigung trotz Kurzarbeit?

Kündigung trotz Kurzarbeit?

Vor Beginn der Corona-Krise waren ca. 97.000 Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Nach Beginn, im April 2020, lag die Zahl der Arbeitnehmer in Kurzarbeit nach Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit bei 6,83 Millionen, im August 2020 noch bei 2,58 Millionen. Noch werden kaum Kündigungen ausgesprochen, wie die Eingangszahlen der Arbeitsgerichte belegen. Dort liegen die Eingänge von Klagen auf Vorjahresniveau.

Dies mag daran liegen, dass eine große Unsicherheit darüber existiert, ob Kündigungen, insbesondere betriebsbedingte, während der Kurzarbeit möglich sind oder nicht. Genährt wird diese häufig geäußerte Unsicherheit durch die Verlängerung des Bezugszeitraums der Kurzarbeit auf 24 Monate bis Ende 2021. Die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge erfolgt allerdings nur noch bis 30.06.2021.

Trotz aktuell noch voller Entlastung der Lohnkosten bei schrittweiser Erhöhung des Kurzarbeitergeldes trifft die Arbeitgeber immerhin das volle Urlaubsentgelt. Denn wird während der Kurzarbeit Urlaub gewährt, ist während des Urlaubs das volle und ungekürzte Urlaubsentgelt zu zahlen. Der Urlaub muss auch während der Kurzarbeit gewährt werden.

Weiterhin stehen die Arbeitgeber vor dem Problem, dass sich die ursprüngliche Prognose eines nur vorübergehenden Arbeitsausfalls inzwischen zu einem dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs entwickelt hat, soweit überhaupt ein Blick in die Glaskugel riskiert werden kann. Denn je nach Branche wird frühestens Ende 2021/Anfang 2022 wieder mit einer Trendwende gerechnet. Das ist ein Zeitraum von über einem Jahr und damit auch nach Auffassung der Rechtsprechung ein aus aktueller Sicht „dauerhafter“ Zustand, dem der Arbeitgeber grundsätzlich mit betriebsbedingten Kündigungen begegnen darf.

Denn ein vorübergehender Arbeitsausfall ist Voraussetzung für Kurzarbeit, ein dauerhafter Arbeitsausfall ist Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung. Bei – aus aktueller Sicht gerechtfertigter – Prognose einer anhaltend reduzierten Auftragslage muss und darf der Arbeitgeber sich Gedanken über Kündigungen machen. Eine allgemeine Sperrwirkung der Kurzarbeit im Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungen existiert nicht, sofern nicht aus kollektivrechtlichen Regelungen (z.B. Betriebsvereinbarungen) etwas anderes folgt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen jenseits der Gründe, die zur Einführung der Kurzarbeit geführt haben, inner- oder außerbetriebliche Umstände gegeben sein, aus denen ein dauerhafter Wegfall des Beschäftigungsbedarfs folgt.

Bei rein außerbetrieblichen Gründen (anhaltende Verluste, Auftragsrückgang, etc.) steht die Wirksamkeit der Kündigung allerdings auf Messers Schneide. Dazu kommt, dass die Rechtsprechung in diesen Fällen die vorherige Einführung von Kurzarbeit als Indiz gegen den dauerhaften Arbeitsausfall wertet. D.h., der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzklageverfahren darlegen und beweisen können, dass seine ursprüngliche Prognose des vorübergehenden Arbeitsausfalls nicht eingetreten ist und dass der Beschäftigungsbedarf entgegen der ursprünglichen Prognose dauerhaft entfallen ist. Diese Darlegungslast stellt ein hohes Risiko dar.

Besser ist immer, eine betriebsbedingte Kündigung auf sog. innerbetriebliche Gründe zu stützen. Das sind z.B. Rationalisierungs- oder Reorganisationsmaßnahmen (out-sourcing, Umorganisation, Streichung von Hierarchieebenen, Automatisierung, Prozessoptimierung, etc.). Denn die Frage, ob das unternehmerisch sinnvoll ist, darf das Arbeitsgericht nicht überprüfen. Es findet lediglich eine Willkürkontrolle statt. Auch steht die vorherige Kurzarbeit nicht im Weg. Wenn sich die zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führende Entscheidung des Arbeitgebers in der Umsetzung einer konkreten, gestalterischen Maßnahme niederschlägt, spricht eine Vermutung für deren sachliche und wirtschaftliche Rechtfertigung. Die Entscheidung sowie die Umsetzungsschritte sollten sorgfältig dokumentiert werden.

Gegenüber einer solchen Kündigung wird zwar vereinzelt eingewandt, dass die Anordnung oder Fortsetzung der Kurzarbeit ein milderes Mittel sei. Das wurde aber vom BAG bislang ausdrücklich offengelassen und nur von sehr vereinzelten Instanzgerichten angeführt. Ein solcher Ansatz ist auch unlogisch. Denn liegt kein dauerhafter Wegfall des Beschäftigungsbedarfs vor, stellt sich die Frage eines milderen Mittels schon nicht mehr. Liegt er aber vor, kann der Arbeitgeber nicht verpflichtet sein, Kurzarbeit einzuführen. Denn dann fehlt es an der Voraussetzung für die Kurzarbeit und eine Inanspruchnahme würde einen Missbrauch des Kurzarbeitergeldes zu Lasten der Arbeitsagentur darstellen, ggf. sogar einen Subventionsbetrug.

Da mit der Kündigung – auch – Lohnkosten gespart werden sollen, muss der Arbeitgeber berücksichtigen, dass infolge des Zugangs der Kündigung der Anspruch auf Kurzarbeitergeld entfällt. Es kommt also für die Dauer der Kündigungsfrist zu höheren Lohnkosten. Je nach dem, wie die Einführung der Kurzarbeit gestaltet ist, hat der Arbeitnehmer entweder Anspruch auf den ungekürzten vollen Lohn oder auf den Lohn in Höhe des Kurzarbeitergeldes zzgl. einer etwaig zugesagten Aufstockung. Der volle Lohnanspruch lebt auf, wenn die Einführung der Kurzarbeit an den Bezug von Kurzarbeitergeld, bzw. an die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen gekoppelt wurde. Ist diese Verbindung nicht hergestellt, bleibt es beim reduzierten Lohn zzgl. Sozialversicherungsbeiträgen. Das kann positiv oder negativ gesehen werden. Sind noch Arbeitszeitguthaben und Urlaubsansprüche offen, könnten diese im Fall des Auflebens des vollen Lohnanspruchs durch Freistellung abgebaut werden. Eine Beschäftigung sollte besser nicht mehr erfolgen, da die Kündigung auf den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs gestützt wird.

Damit ist also eine betriebsbedingte Kündigung auch während des Bezugs von Kurzarbeitergeld möglich und notwendig, um einem dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs und Urlaubsentgeltansprüchen zu begegnen.

Sören Riebenstahl
Fachanwalt für Arbeitsrecht & Sozialrecht